Zeitzeugen

Oma, Opa erzählt doch mal: Wie war das Seehasenfest früher so?
Für mich war das eines der schönsten Erlebnisse in meiner Kindheit.
Rosemarie Ferme

Damals war ich in der 7. Klasse der Pestalozzi-Schule in Friedrichshafen. Unser damaliger Klassenlehrer erzählte uns im April 1949, dass es im Sommer ein großes Kinderfest geben wird – das Seehasenfest.

Jedes Schulkind darf an dem großen Festumzug, der durch die Stadt führt, teilnehmen. Die Mädchen sollten, wenn möglich, ein Kleid anziehen. Wir haben uns sehr darauf gefreut, und konnten es kaum erwarten, bis es soweit war. Ein Fest bei uns, mit Rummelplatz und Musik! Das war ja so aufregend.

Drei Wochen vor dem Seehasenfest kam ein Paket aus den USA von meiner Tante. Im diesem Paket war ein wunderschönes langes rosarotes Tüllkleidchen mit Puffärmeln, ich kann mich noch ganz genau daran erinnern und ich wusste dieses Kleidchen werde ich auf dem großen Festumzug tragen. Nun war es soweit, das erste Seehasenfest 1949 für uns Kinder!

Karussell fahre für 20 Pfennig

Zum ersten Mal sahen wir einen Rummelplatz, der damals auf dem Schulhof der Pestalozzi-Schule war. Natürlich war der nicht so groß wie heute, aber für uns „Kriegskinder“ war das sehr aufregend und eine große Sensation. Das Kettenkarussell, das Kinderkarussell mit den Pferdchen und den Autos und die Schiffschaukel, die jedes mal beim Bremsen so merkwürdig nach verbranntem Gummi und Holz roch, und eine Wurfbude gab es damals auch schon. Für 20 Pfennige konnte man damals Karussell fahren. Bei den Eltern habe ich um ein paar Pfennige gebettelt, damit ich auch Karussell fahren konnte. Wochen zuvor habe ich Rabattmarken gesammelt, für die man wiederum ein paar Pfennige bekam, die ich mir dann eisern zusammensparte, damit ich zum Fest auch Geld hatte. Das Bierzelt stand zu dieser Zeit auch auf dem Schulhof der Pestalozzi-Schule, dort spielte eine Blaskapelle. Die „Halbe“, damals gab es noch keine „Maß“ kostete 1,50 Mark.

In diesem Sommer 1949 war es sehr heiß. Und ich weiß noch genau, wie wir Schulkinder uns bei der Pestalozzi-Schule an diesem Sonntag versammelten und uns für den großen Festumzug aufreihten. In Reih und Glied standen wir da, die Mädchen mit ihren Kleidchen und Blumen in den Haaren, die Jungens mit kurzen Hosen und weißen Hemden. Alles war sehr festlich. Jeder hatte seine schönsten Sonntagskleider an, und ich war ganz stolz auf mein „amerikanisches“ Tüllkleidchen.

Nun war es soweit, der große Festumzug konnte beginnen, vorne weg lief der „Seehase“, dann kam immer wieder ein Blumenwagen und dazwischen wir Schulkinder und natürlich die Musik. Da liefen wir stolz und winkten den Zuschauern zu, ich glaubte damals, dass die ganze Stadt sich den Umzug ansah, vielleicht war es auch so.

Von der Charlottenstraße aus durchquerten wir die Eugenstraße, hinauf zur Werastraße, von dort liefen wir die Friedrichstraße hinunter in die Karlstraße. Stolz winkten wir, und die Menschen waren alle glücklich, endlich gab es mal wieder etwas zu feiern und das Elend nach dem Krieg war für diese Zeit vergessen. Von der Friedrichstraße bogen wir in die Karlstraße, wo sich auch alles versammelt hatte, am Hafen vorbei wieder ein Stück die Karlstraße hinauf, dann bogen wir rechts ein, am jetzigen „Tiffany“ vorbei, durch die Eisenbahnbrücke und durch die Löwenunterführung wieder Richtung Pestalozzi-Schule.

Das schönste Erlebnis meiner Kindheit

Wie sie alle strahlten, nicht nur die Kinder auch die Erwachsenen schienen sichtlich glücklich zu sein. Damals haben die Herren vom Festausschuss in ihren Blumenwagen den Zuschauern Hände voll Bonbons zugeworfen. Wieder an der Pestalozzi-Schule angekommen, durften wir noch durch den Rummelplatz schlendern, zum ersten Mal bin ich Kettenkarussell gefahren und danach war es mir so schlecht, aber das hat mich nicht davon abgehalten, mit der Schiffschaukel zu fahren. Das war doch alles ganz neu für uns, und vor allem wir Kinder hatten damals so viel Spaß gehabt und waren so glücklich. Später mussten wir dann alle nach Hause gehen, damit die Erwachsenen auch noch ausgelassen feiern konnten.

So habe ich das erste Seehasenfest 1949 in Erinnerung. Und ich muss sagen, für mich war das eines der schönsten Erlebnisse in meiner Kindheit, endlich mal feiern und keine Angst vor Bombenangriffen zu haben und zu sehen, dass man schnell in den Bunker kommt. Heute feiere ich mit meinen Kindern und Enkelkindern Seehasenfest. Hätte ich das damals gedacht!

Im Jahr 1950 wurden die Bodensee-Festwochen nicht mehr durchgeführt, nur das Seehasenfest am 23. und 24. Juli blieb bestehen. Das es jetzt ein eigenständiges Fest war, wurde für die Gestaltung des Programms noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit verwendet als im Vorjahr. Dadurch erfuhr das Fest eine gewaltige Programmerweiterung. Gleichzeitig erhielt es sein bodenständiges, „häflerisches“ Ausrichtung, das seinen Ruf als Heimatfest begründete. Der Rahmen dieses zweiten Festes blieb bis heute bestehen, wenn auch einige neue Programmpunkte hinzukamen und alte ausgebaut wurden.

Mit hochgetürmten, tintenblauen Wolken war der Sonntag des zweiten Seehasenfestes in Friedrichshafen heraufgestiegen. Dennoch ließ sich das eifrige Stadtorchester nicht verdrießen, um 6 Uhr mit klingendem Spiel durch die Straßen den Tag anzukündigen, der schon seit Wochen von den Kindern ersehnt wurde.

Nach diesem Wecken begaben sich viele Friedrichshäfler Buben und Mädchen gemeinsam mit ihren Eltern hinab zum See, um dem Festgottesdienst, der für die Katholiken an der Freitreppe am See und für die evangelischen Christen in der Schlosskirche stattfand, beizuwohnen. Inzwischen hatten sich auch die Wolken verzogen und der Sonne Platz gemacht.

Einholung des ersten Seehasen

So konnte man dem Auftakt zum eigentlichen Fest um 11 Uhr voll ungetrübter Freude entgegensehen. Viele tausend Zuschauer hatten sich dazu am Hafen eingefunden. Sie alle wollten einem Völkerschiff und dem mitfahrenden „Seehasen“ einen gebührenden Empfang bereiten. Dieses Völkerschiff sollte Symbol sein für die Zusammengehörigkeit der Völker und die Sehnsucht der Menschen nach Frieden unter den Völkern.

Kurz vor 11 Uhr näherte sich die geschickt umgebaute Trajektfähre, begleitet von schmucken, aufwendigen Paddelbooten unter Fanfarenklängen. Schon konnte man Abordnungen aller Völkerschaften, die von Schulkindern dargestellt worden, ebenso andere Kinder, die in farbenfroher Gruppierung zwischen den Flaggen und Blumen standen, und inmitten unter ihnen den Seehasen erkennen.

Der Seehas wurde von einem jungen Mann in einem weiß-gefleckten Hasenkostüm dargestellt, das nur sein Gesicht und die Hände frei ließ. Von da an wurde er zur Hauptfigur des ganzen Festes. Als das Schiff zur Landung ansetzte, war der Jubel hüben wie drüben groß. Vom fahrenden Schiff aus erklang das Heimatlied der Stadt Friedrichshafen, das Paul Schmidt zu dem Text von Konstantin Schmäh komponiert hatte.

Das müssen Sie sich anschauen. Gehen Sie doch einmal am Seehasensonntag an den Hof der Pestalozzischule. Eine Stunde vor Beginn des Umzuges werden Sie von argen Zweifeln befallen, ob aus diesem Ameisenhaufen je ein geordneter Festzug werden kann.

Es beginnt damit, dass die Polizei so gegen Mittag die Allmand- und die Wendelgardstraße absperrt und manche Eltern nur mit Mühe davon abhalten kann, ihren bunt gekleideten Sprösslingen auch noch den letzten Schritt im Schulhof zu ersparen. Mutter und Tochter oder Sohn stürzen ins Schulhaus, als ob schon alles zu spät wäre und suchen verzweifelt das für sie vorgesehene Klassenzimmer. Die Räume sind zwar alle beschriftet, aber mancher macht sich nicht die Mühe, die Schilder auch zu lesen.

Meistens ist der gesuchte Platz auch noch am anderen Ende des großen Schulgebäudes. Ist das Zimmer gefunden, dann geht es los: da wird ausgezogen, umgezogen, angezogen, werden Haare gekämmt und Schleifen geknüpft, Hüte zurecht gerückt, Blumen angesteckt, Verzweiflungsschreie ausgestoßen und zum x-ten Mal letzte Ermahnungen gegeben. Und dann geht es hinaus: aber nur wenn schönes Wetter ist. Sollte es vielleicht tröpfeln, was ja auch schon vorgekommen ist, gibt es fast kein Durchkommen mehr, denn dann drückt sich alles in den Gängen herum. Wenn sich da so eine Blumenkind oder ein Märchenprinz an der Hand des Vaters oder der Mutter durch die Menge zwängt, sitzt am Ausgang bestimmt das Käppchen schief oder die Schleifen sind wieder aufgegangen.

Draußen ist erst recht ein riesiges Durcheinander. Von allen Seiten strömen Menschen herbei, vor allem Kinder, Kinder, Kinder, mehr als 3000. Aber auch die Mitglieder von fast 20 Musikkapellen, Orchestern und Fanfarenzügen mischen sich darunter und suchen ihren Stellplatz oder den Dirigenten oder auch umgekehrt – ein buntes Gewimmel. Und fast ein wenig verloren dazwischen die verantwortlichen Lehrerinnen und Lehrer, die auch schon aufgeregt werden, weil ihre Gruppe noch nicht vollzählig ist.

Irisblüten sammelt euch

In den Seitenstraße sind inzwischen auch die Festwagen abgestellt; noch ganz ohne Kinder wirken sie etwas leblos und fast fehl am Platz. Noch viel unübersichtlicher wird es, wenn die Sonne besonders heiß vom Himmel brennt. Jeder will ein schattiges Plätzchen unter den großen Kastanienbäumen oder den Überdachungen erhaschen. Und dann nützt der beste Aufstellungsplan nichts mehr, wenn Sie jemand fragt, ob Sie wüssten, wo die Hofdamen stehen oder sich die Irisblüten sammeln.

Die Geräuschkulisse wird auch immer stärker. Kinder schreien, Eltern rufen, Musikanten spielen ihre Instrumente ein; wie soll das alles enden? Aber siehe da — mit der Zeit bilden sich gleich kostümierte Gruppen, Musikkapellen stellen sich auf und in der Marienstraße formieren sich der Seehasen-Fanfarenzug, die Bürgergarde zu Fuß und zu Pferd und das Stadtorchester als Spitze des Umzuges. Und pünktlich geht es los: die Wagen reihen sich ein, die unterschiedlichsten Gruppen finden dazwischen ihren Platz, jedes Orchester ist da, wo es hingehört; alles nach Plan; ein kleines Wunder ist geschehen. Die Verantwortlichen atmen erleichtert auf: Gut gegangen – es hätte ja auch noch ein Platzregen dazukommen können!

Gedichte & Geschichten

Wir sind zwei kleine Häschen
und freuen uns gar sehr,
dass bald der große Seehas kommt
vom schönen Schwabenmeer.

Beim Warten auf dem Rathausplatz
kommet d'Häsle oft ins Schwitzen;
sie mögen gern, bei Regen auch,
unter Sonnenschirmen sitzen.

Mit Tschinderassa und bumm bumm
kommt endlich er vom See
und bringt uns kleinen Erstklässlern
den süßen Hasenklee.

Dann beginnt das Fest erst richtig
mit Wurst und Wecken – Eis am Stiel.
Die Schule ist nun nicht mehr wichtig,
jetzt gibt es nur noch Spaß und Spiel.

Fanfaren – und Trompetenschall,
frohe Menschen überall.
Fallschirmspringer aus der Höh‘
tauch in den Bodensee.

Das ist ein Leben auf dem Rasen!
Seehas‘ und Kasper sind zur Stell.
Für kleine und auch große Hasen
gibt‘s Boxautos und Karussell.

Beim Armbrustschießen – Bälle werfen
braucht der OB auch gute Nerven.
Und Märchenspiele wunderschön
sind seit Tagen schon zu sehen.

Fischerstechen in den Nachen,
da kann alles herzhaft lachen,
wenn der Fischer feste steht
und dann doch baden geht.

Auf der Uferstraße sitzen
große und auch kleine Leut‘
warten bis zur Abendstunde
sie das Feuerwerk erfreut.

Am Sonntag dann, da ist was los!
Da gibt‘s den Umzug – riesengroß!
Mit Fahnen, Wagen, Roß und Reiter,
Musikkapellen und so weiter.

Viele Kinder, schön geschmückt,
ziehen durch die Straßen – froh.
Alle Leute sind entzückt,
klatschen, staunen: „Ah und ooh!“

Am Montag auf dem Sportplatz dann
treten Fußballprofis an,
um den Pokal sie kämpfen fair
als ob es ein WM – Spiel wär‘.

Gymnastik und auch Tänze schön,
voller Anmut, sind zu sehn‘,
bis der Frühschoppen dann lockt
und alles gern zusammenhockt.

Abends dann am Bodensee
heißt es: „Seehas, nun ade!“
Wir danken dir und feun‘ uns sehr
auf deine frohe Wiederkehr.

So ein Fest könnt, nicht gelingen,
Jahr für Jahr in allen Dingen,
gäbe es nicht kluge Leute,
die wir wollen ehren heute.

Sie denken, planen, ordnen, leiten
ein schönes Fest uns zu bereiten.
Mit allen Kindern sagen wir
ein großes Dankeschön dafür.

(„Als der Seehas kam“, S.112)

Warum die Ravensburger denken, der Seehasenfestumzug wäre so kurz, dass es sich nicht lohnt, ihn anzusehen.

In Raveschburg do denkt en Ma,
jetzt fahr i mol in Hafe na.
Ma feiret in dem kloine Nescht,
heut wieder des Seehasefescht.
es isch zwar koin Vergleich zu hier,
zu Ruetefescht und Ruetebier.

Er denkt, ha noi, fahr‘sch halt mol na
am beschte mit dr Goißbockbah.
Es isch a Glück für die do dunde,
daß mir des Bähnle hond erfunde.
So fahrt mr billig mit Verstand
vo Raveschburg ins Hinterland.

Warum hots heut bloß so viel Leut?
Fascht hätt en sein Entschluß no g‘reut.
Mit Hinz und Kunz muesch zammehocke;
es riecht nach Tabak, Schwoiß und Socke.
Des hält dr stärkste Ma it aus;
er rennt am Stadtbahnhof schnell naus.

A Mädle verkauft Festabzoiche,
beinoh loßt sich der Ma erwoiche
„A Festabzoiche? Sag wa witt?“
„Fünf Mark – oh noi, des brauch i it.“
„I bin von Raveschburg, muesch wisse,
wenn‘d do na kommsch, wirsch au it bschisse.“

Er frogt „Wenn goht der Umzug los?“
„Wa, no zwoi Stund?“, sein Durscht isch groß.
Im Hafe daurets, s‘isch it neu!
Bei uns do kommt dr Umzug glei.
Do muesch it in dr Sonne sitze
und zwo Schtund in dei Hemmed schwitze.

Bei uns hot‘s viel meh Bäum mit Schatte,
do, bloß die Herre mit Krawatte,
die hocket unterm Schirm da dobe
des ka mr wirklich hier it lobe.
I dät au gern, des dät mi locke,
so schee auf der Tribüne hocke.

Ma ka halt hier, moint er bescheide,
uns Raveschburger it so leide.
Mir hond halt und des wisset mir,
de besser Umzug, s‘besser Bier
Er könnt oins trinke, fällt em ei,
am See wirds ziemlich wässrig sei.

Und unser Ma tuet it lang warte,
goht na an See, hockt in en Garte
und bschtellt a Moß, fangt a zum Schlucke
und motzt oin a: Brauchsch it so gucke,
des dünne Bier vom See do hunde,
hon i no nie zum Trinke gfunde.

Mir hond it gwißt, hört er am Tisch,
daß s‘Leibinger vom Hafe isch.
Au des tuet weh! – er wird ganz rot
und bschtellt a Göckele mit Brot,
und no a Moß, komm guete Frau,
jetzt wo es kenn, do schmeckt mr‘s au!

Vor lauter Freud am oigne Bier
trinkt er it ois, noi er trinkt vier.
So leicht isch‘s ihm no selte gwea,
er hot die Welt nie schöner g‘seah.
Von weit her hört er mit Vergnuege,
viel Blosmusik, sieht Fahne fliege.

Do dobe zwische dene Leut,
mueß zwoimal guecke, sieht‘s it gscheit,
en Zeppelin fahrt auf dr Stroß,
do bstellt er lieber no e Moß.
Erscht um halb viere schtoht er auf
und schwankt zum Bahof wieder nauf.

Er gucket nauf und guckt nach unde,
en Festzug hot er nirgends gfunde.
Er guckets Friedrichsträßle nab,
do bauet se d‘Tribüne ab.
Und au viel Leut sind nimme gwea,
a paar hot er jo dopplet gseah.

So frogt er halt en Polizei,
wo denn der schöne Feschtzug sei.
Dr letztschte Wage, so ein Dreck
isch grad do vorne num ums Eck.
Des mueß, s‘will ihm in Kopf it nei,
en kurze Feschtzug g‘wese sei.

Wenn i als Gascht hier hock im Garte
ka do der Feschtzug it mol warte?
Was soll i denn drhoim verzelle?
I hon den Umzug seah welle.
I mueß, des isch doch sonneklar,
genau verzelle, wie er war.

Der Polizei sagt, s‘isch it schwer,
do nimmsch dei Fantasie halt her.
Nimmsch Seehas, Zeppelin und See,
nimmsch Ritter, Knappe, Hex und Fee.
nimmsch Angler, Frösch und Wasserwelle
dazu en haufe Bloskapelle.

Sagsch halt du hättsch de Wiedmann kennt,
der sei grad zur Tribüne g‘rennt.
Und no dr Müller und de Zeller,
die hocket au gern mit am Teller.
Was Rang und Name hot kommt her,
do isch's verzelle doch it schwer.

Ha des isch jo in eurem Nescht
nit minder wie beim Ruetefescht.
moint unser Ma und steigt in Wage
des mueß mr scho wohlwollend sage.
winkt aus em Zug, ruft no „Ade!“
und denkt, des Hasefescht war schee!

Und denn drhoim, an jedem Tisch,
sagt er wie schee‘s im Hafe isch.
Wie bunt der Feschtzug, schee die Wage,
au‘s Bier wär guet, ma könnt it klage.
Bloß ois verschtand er it ums Leaba,
des täts in Raveschburg nie geaba,

daß die, au wenn ihr drüber lachet,
den scheene Zug it länger machet.

(„Als der Seehas kam“, S. 80)

I möcht so gern a Königin sei,
bloß oimol in mei‘m Leba,
möcht in so ra schene Kutsch
mei Hand zum Grueß erheba.
Wenn alles winkt und guckt auf mi,
bejubelt und beneidet mi,
dann tät i gnädig nicka.

I möcht so gern a Königin sei,
bloß oimol in mei‘m Leba!
Da könnt mei G‘fühl, em Vogel gleich,
hoch in dr Luft rumschweba.
Bekäm au in meim hoha Stand
no Gold und Silber in mei Hand!
Ganz lieblich tät i danka!

Jetzt lauf i schnell an d‘Uferstroß,
do wartet jedes Mädle,
da hangt der Korb au für mein Ball,
doch‘s Glück hangt am a Fädle.
I ziel, i wirf, i triff da nei!
Mei Glück könnt heut it größer sei!
Dr Ball liegt keck im Netzle.


Jetzt bin i wirklich Königin,
zwar oimol bloß em Leba,
doch därf i in dr Nelkakutsch
mei Hand zum Grueß erheba.
Ballkönigin stoht auf dr Schärp,
Seehasafest drzua,
jetzt bin i wirklich Königin
jetzt hat mei Herz a Ruah.

(„Als der Seehas kam“, S. 101)

Ganz früher war das Städtchen Buchhorn hundert Mal kleiner als heute die Stadt Friedrichshafen. Auch die Häuser waren viel kleiner und bunt angemalt.Sie standen in Gärten, in denen große, hohe Bäume und Hecken für die viele Vögel wuchsen, die dort ihre Nester hatten. Das unermüdliche Jubilieren und Zwitschern und Singen der vielen Vogelarten war ein herrliches, wundervolles Konzert vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Um die Häuser waren Rasenflächen, die wiederum von duftenden Rosen- und anderen Blumenbeeten eingefaßt wurden. Das Auge des Betrachters bekam ein Bild, als ob unzählige, bunte Blumensträuße auf einmal blühen. Das Haus des Bürgermeisters stand an der Grenze der Stadt, dort wo ein mächtiger Wald beginnt. Zufrieden spielten an einem Sonntagnachmittag seine und die Nachbarskinder in dem schönen Garten, wo in einer Ecke viel Sand aufgeschüttet war zum Burgenbauen und Sandkuchenbacken usw. Aber, was sah der kleine Benjamin und die anderen Kinder – Adele, Cäcilie, Dorle, Erich, Fritz und Gustav – von ihrer Spielecke aus? Einen hellbraunen, großen Hasen mit hochstehenden langen Ohren im Blumenbeet sitzen. Der Hase mit dem schönen weißen Brustlatz saß auf den Hinterbeinen und lachte alle die sieben erstaunten Kinder an. Gustav war das älteste von den Kindern, er reagierte schnell und sagte: „O seht, seht, der richtige Osterhase sitzt in unserem Blumenbeet, genau wie im Bilderbuch – schnell, wir fangen ihn, denn der lebendige Osterhase soll Glück bringen!“

Die Spielgeräte für das Burgenbauen fielen allesamt aus den Kinderhänden in den Sand. Dafür sprangen 14 Kinderbeine in Richtung Blumenbeet, wo dieser schöne, große Osterhase saß. Aber der Hase machte vor Schreck einen Satz über den weißen Gartenzaun und wollte der kleinen wilden Bande entkommen. Die Kinder jagten dem Hasen hinterher über viele Zäune, Hecken, Ecken, Gassen und Straßen bis zum Bodensee. Es gab kein Entkommen mehr. Der erschöpfte, arme Hase stürzte in seiner Aufregung in den großen, kalten See.

Die sieben Kinder waren durch die Rennerei über Zäune, Hecken, Ecken, Gassen und Straßen atemlos, als sie am Bodensee ankamen und dort den im Wasser verzweifelt zappelnden Hasen sahen. Adele konnte ihm aber zurufen: „Lieber Hase, halte dich über Wasser, wir helfen dir.“ Cäcilie darauf: „Schlage mit deinen Vorderpfoten fest, fest auf das Wasser, dann gehst du nicht unter.“ Dorle dazu: „Schau, die Buben machen ein Boot los, um dich zu holen.“ Ängstlich schaute der Hase, indem er mit den Vorderpfoten mit den kalten Wellen kämpfte, auf das herannahende Boot, denn Hasen können bekanntlich nicht schwimmen. Erich und Fritz ruderten auf die Stelle zu, wo der fast ertrinkende Hase war. Gustav steckte in aller Eile den kleinen Benjamin in den Rettungsring und schubste ihn in das kalte Wasser, gerade auf den Hasen zu. Benjamin zog das nasse Tier an den Vorderläufen zu sich in den Rettungsring, der mit einer Leine zum Boot gezogen wurde. Die Buben, Erich und Fritz halfen den beiden Bodenseenassen, Hase und Benjamin, in das trockene Boot.

Aus dem lachenden Osterhasen wurde ein weinender Seehase. Tropfnaß kam Benjamin mit dem triefendnassen Hasen in Begleitung von Adele, Cäcilie, Dorle, Erich, Fritz und Gustav in das Haus des Bürgermeisters. Welch ein Schreck bei Vater und Mutter, als die Kinder allesamt in großer Aufregung mit dem patschnassen Tier und dem patschnassen Benjamin ins Haus fielen. Der Hase und Benjamin wurden zusammen in ein heißes Bad gesteckt und anschließend trockenfrottiert. Benjamin wurde frisch und warm angezogen. Der Hase freute sich über das warme Jäckchen von Dorle, das ihm bis zu den Hinterhasenpfoten reichte und wie ein Hasenmäntelchen aussah. In der Zwischenzeit deckten die anderen Kinder den Tisch für süßen Tee und Brezeln und Honigbrot. Für den Hasen waren die Köstlichkeiten auf dem Tisch der Menschen neu, aber lecker, lecker. Aus Dankbarkeit und auch aus großer Freude über seine Bekanntschaft mit den Kindern spielte der Hase mit allen Purzelbaumschlagen, Ringelreihen, Herumtoben im ganzen Haus. Das heitere und lustige Spiel der sieben Kinder mit dem glücklichen Hasen – gerettet aus großer Seenot – dauerte den ganzen Nachmittag, bis alle müde wurden. Der Hase durfte mit in das Kinderbett zu Benjamin. Beide schliefen Arm in Arm zufrieden und glücklich ein.

Als die Sonne am andern Morgen sachte und leise aufwachte und den Bodensee in silbernes Blau verwandelte, wachten auch die Vöglein auf. Diese sangen ihr Morgenlied in die noch verschlafene Welt. Aber wer wachte dann noch auf? Der Seehase im Arm von Benjamin. Der Hase sagte dem schlafenden, kleinen Benjamin kaum hörbar ins Ohr: „Danke, danke für alles – es war so schön bei euch Kindern und euren lieben Eltern – ich komme wieder, um mich mit euch zu freuen. Mit allen Kindern, die hier wohnen, möchte ich am Tisch sitzen zum Trinken und Essen, und wir werden tanzen, froh und fröhlich sein.“

Ja, wer den Osterhasen – jetzt Seehasen – im Arm hält, hat Glück. Als Benjamin aufwachte, gab es jedoch Tränen. Das Häslein war längst durch das offene Fenster in den großen Wald gehoppelt.

Anmerkung

Vorstehendes Märchen ist Wahrheit geworden für die Einwohner der Stadt Friedrichshafen, vor allem für ihre Kinder nach dem letzten Krieg. Als Lichtblick einer völlig zerbombten Stadt kam der dankbare Hase zwar nicht aus dem Wald zurück, sondern mit einem Schiff über den Bodensee. Seither wird dieser Seehase einmal im Jahr mit großem Jubel und mit Musik empfangen, wenn sein Schiff in den Hafen von Friedrichshafen einläuft. Der Hase hat Wort gehalten. Er freut sich mit den Kindern und feiert mit ihnen sowie allen Menschen von Friedrichshafen und Umgebung einige Tage lang ein Jubelfest. Daraus ist das sogenannte Seehasenfest entstanden, das einer der Höhepunkte im Jahresablauf dieser Stadt ist. Wo auf der ganzen Welt gibt es etwas ähnliches, was diesem Fest an Fröhlichkeit und Zufriedenheit gleichkommt?

(„Als der Seehas kam“, S. 110)